von Fabio Aresu, Markeningenieur, Spezialist für Digital Business Engineering, Employer Branding und Organisator des Jungunternehmerforums Graubünden.
Wertebasierte Unternehmensführung ist bereits seit Jahren mehr als ein Modetrend. Die Idee dahinter ist im Grunde bestechend einfach:
Jeder Aspekt einer Geschäftstätigkeit lässt sich in der Regel kopieren und ist somit austauschbar. Austauschbarkeit wiederum bedeutet, dass keine verlässliche Beziehung entsteht, da keine emotionale Bindung vorhanden ist. Dies gilt zudem genauso gegen aussen wie gegen innen. Die Klassiker: Kundinnen und Kunden, die nur bei Rabatten und Aktionen zugreifen, und Mitarbeitende, die nur wegen des Lohns arbeiten.
Was sich nicht kopieren lässt: die persönliche Einstellung und dasselbe Werteverständnis. Und genau dafür gibt es eine eigentliche Superkraft, die mächtig und nachhaltig wirkt: Loyalität. Loyale Kundinnen und Kunden und Mitarbeitende sprechen deutlich öfter positiv über das Unternehmen und bleiben ihm auch dann treu, wenn mal nicht alles rundläuft.
Die Krux mit der Loyalität: Sie lässt sich nicht einfordern. Sie kann nur auf echter gegenseitiger Wertschätzung und Anerkennung entstehen. Werbung, die mehr verspricht als sie hält, wird schnell entlarvt und entpuppt sich als kurzfristiges Strohfeuer. Umgekehrt werden gute Produkte und Dienstleistungen mit Mehrwehrt immer aktiv weiterempfohlen, was nach wie vor die effizienteste und effektivste Form der Werbung überhaupt ist. Dies findet aber nur statt, wenn die gegenseitige Anziehung auf gleichen Werten beruht und mehr als ein Lippenbekenntnis ist.
Aber auch in der Stärkung der eigenen Arbeitgebermarke und somit in der Personalbeschaffung ist Loyalität ein effektives Werkzeug. Schafft es ein Unternehmen, neben vergleichbaren Assets wie Lohn, Ferien und Sozialleistungen auch die Sinnhaftigkeit der Arbeit zu vermitteln und die Menschen hinter dem Stellenbeschrieb nachhaltig gezielt und individuell zu fördern, wird dies mit Motivation und Einsatz belohnt. Mehr noch – Mitarbeitende, die sich in ihrem Umfeld offen und ehrlich positiv über das Unternehmen und die Anstellungsbedingungen äussern, haben einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Attraktivität der Arbeitgebermarke, was auch die Rekrutierung positiv unterstützt.
Der Weg dahin lässt sich im Idealfall mit dem Modell namens «3T» beschreiben. Die drei T stehen im Englischen für Truth (Wahrheit), Trust (Vertrauen) und Transparency (Transparenz) und beschreiben die Grundlagen, damit Loyalität entstehen und gedeihen kann. Dabei ist es aber unumgänglich, dass sie in der Kommunikation und im Handeln deckungsgleich sind. Will heissen: Man darf nicht nur davon reden, sondern muss die eigene Ausrichtung nach diesen Maximen auch beweisen und danach handeln, ohne explizit eine direkte Gegenleistung einzufordern.
Der Mechanismus ist in der Neurowissenschaft als «Tit for tat» bekannt, was in etwa mit «Wie du mir, so ich dir» im positiven Sinne umschrieben werden kann. Diese Form von Kooperationen lohnt sich gemäss Untersuchungen dann am meisten, wenn die Gegenleistung auf Freiwilligkeit beruht. Ein ausbeuterisches, auf maximalen Eigenerfolg angelegtes Verhalten bringt nachweisliche Nachteile in einer längerfristigen Beziehung.
Auch wenn die drei erwähnten Grundwerte selbstverständlich sein sollten, hapert es in der Realität immer wieder in der konsequenten Umsetzung. Das ist oftmals weder bewusst noch vorsätzlich, sondern einfach eine Konsequenz der sogenannten Spiegelfunktion. Wenn alle in der Werbung etwas übertreiben, wird das automatisch als Grundlage für die eigene Marketingkommunikation genommen. Wenn jedes Stelleninserat mit Fantasie-Bezeichnungen auftrumpft und die Stellenbeschreibung das Blaue vom Himmel verspricht, passen sich die weiteren Mitbewerber unbewusst an, um in der Wahrnehmung nicht hintenanzustehen. Dabei würde das Gegenteil mit grosser Wahrscheinlichkeit mittel- und längerfristig den nachhaltigeren Erfolg bringen. Weniger ist mehr – auch hier.
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