von Manuela Widera, Betriebsökonomin FH, selbstständige Organisationsberaterin und Coach BSO sowie akkreditierte Beraterin von Gesundheitsförderung Schweiz
Gemäss neuestem Job-Stress-Index 2020 der Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz hat sich der Anteil der Erwerbstätigen, die überdurchschnittlich mehr Belastungen als Bewältigungsmöglichkeiten (Ressourcen) wahrnehmen, erneut erhöht – von 27,1 Prozent im Jahr 2018 auf neu 29,6 Prozent.
Betriebliches Gesundheitsmanagement kann dieser Entwicklung entgegenwirken, und zwar mit Massnahmen, die auch für KMU durchführbar sind. Ein Beispiel dafür ist das jährliche Mitarbeitergespräch. Nicht selten löst dieses sowohl bei Vorgesetzten wie auch bei Mitarbeitenden Stress und Unbehagen aus und wird oft als eine lästige Pflichtübung wahrgenommen. Das muss nicht sein – im Gegenteil. Mit einem guten Konzept, sorgfältig vorbereiteten und gut durchgeführten Mitarbeitergesprächen kann viel Energie gewonnen werden.
Beim Mitarbeitergespräch geht es darum, sich ein Bild über die Leistung und das Verhalten der Mitarbeitenden während des vergangenen Jahres zu machen, neue Ziele zu setzen und sich zum Thema Weiterentwicklung auszutauschen. In vielen Unternehmen werden diese umfangreichen Themen leider alle in ein einziges Gespräch kurz vor Jahresende in den allgemeinen Budget- und Weihnachtsstress gepackt.
Wertschätzende, gut geplante und vorbereitete Mitarbeitergespräche können überaus wertvoll sein und sehr wohl einen Nutzen stiften. Funktionierendes wie auch Optimierungsbedarf werden erkannt. Es kann Klarheit über die Ziele und Erwartungen für das nächste Jahr erreicht werden, aber auch Sicherheit und Verbindlichkeit für beide Seiten bringen. Zudem kann die Motivation der Mitarbeitenden erhalten beziehungsweise gesteigert werden. Die Gespräche stellen eine wertvolle Grundlage für die Weiterentwicklung der Mitarbeitenden sowie für die Lohnentwicklung dar. Schliesslich helfen sinnvolle Mitarbeitergespräche die Fluktuation im Griff zu halten und die Gesundheit der Mitarbeitenden zu erhalten und diese sogar zu steigern. Vor allem dann, wenn Über- und Unterforderung im Gespräch thematisiert werden und die einfache Frage gestellt wird: «Wie geht es dir?»
Im Moment hinterfragen verschiedene Unternehmen ihre Mitarbeitergespräche. Es gibt welche, die ganz darauf verzichten. Dies bedingt jedoch sinnvolle Alternativen, denn der Austausch zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden ist essenziell.
Andere Unternehmen führen neu mehrere, dafür kürzere Gespräche pro Jahr durch – ergänzt durch laufendes Feedback. So werden Anfang Jahr die gegenseitigen Erwartungen definiert und die Ziele festgelegt. Bei einem Zwischenstopp Mitte Jahr werden der Fortschritt überprüft, Stolpersteine erkannt und definiert, was es noch braucht, um die Ziele auch wirklich zu erreichen.
Anfang Herbst werden in einem Potenzial- und Gesundheitsgespräch die Kompetenzen und das Entwicklungspotenzial besprochen, aber auch Über- und Unterforderung. Schliesslich kann im November evaluiert werden, was während des Jahres erreicht wurde, was noch offen ist und was in Zukunft anders sein soll. Dies dient zudem der Lohnfestlegung für das neue Jahr. Für die Gespräche sollte genug Zeit eingeplant werden – nebst dem Danke sagen ist das auch ein Zeichen von Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitenden.
Mitarbeitende wollen wissen, wo sie stehen, auch wenn es gut läuft, und sie wollen beachtet werden. Durch das regelmässige Im-Gespräch-Bleiben mit den Mitarbeitenden wird nicht zuletzt ein wesentlicher Beitrag für deren Gesundheit sowie für den Erfolg des Unternehmens geleistet. Dies ist gerade bei Fachkräftemangel und in Coronazeiten absolut wichtig.
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