von Fabio Aresu Markeningenieur, Initiant der Plattform E-Dorado und Dozent für Wirtschaftskommunikation.
Der schon fast inflationär heraufbeschworene «Fachkräftemangel» wird oft missverstanden. Nämlich im Sinne, dass nur noch Spezialwissen gefragt ist. Um fit für die Jobs von heute zu werden, sollen Kinder möglichst früh wissen, was ein Algorithmus ist und programmieren lernen.
Die Sache hat aber zwei bedeutende Haken: Erstens sind praktisch alle bedeutenden modernen Entwicklungen eine Kombination von bereits Bestehendem und zweitens ist noch nicht absehbar, welche Berufe in Zukunft konkret gefragt sein werden.
Der Ursprung der Idee, möglichst allen Bevölkerungsschichten Bildung zu ermöglichen, stammt aus der Zeit der Aufklärung ab zirka Ende des 17. Jahrhunderts. Spannend ist, dass es dabei durchaus Parallelen zur heutigen Zeit gibt. Grosse technologische Umwälzungen und der Beginn der darauffolgenden industriellen Revolution ermöglichten völlig neue Berufe. Wer nicht lesen, schreiben und rechnen konnte, hatte plötzlich grosse Schwierigkeiten, einen Job zu finden. Und die neu entstandenen Industriebetriebe hatten Mühe, Arbeiter mit den geforderten Fähigkeiten zu finden. Genau dies passiert auch heute wieder – nur unter neuen Vorzeichen. Denn zu den klassischen Fächern sind noch Informatikkenntnisse dazugekommen.
Bedeutete das klassische Arbeitsleben bis vor Kurzem, dass der Weg linear über eine Ausbildung und einen anschliessenden Job in der gleichen Branche bis zur Pensionierung führte, geht man heute davon aus, dass in naher Zukunft mehrere Weiterbildungen absolviert werden, man während des Berufslebens in mindestens drei bis vier Branchen arbeitet und teilweise auch mehr als einen Job gleichzeitig ausübt.
Somit ist nicht nur das Wort «Ausbildung» falsch (da man nie ausgebildet sein wird), sondern vor allem ist die Angst vor dieser Entwicklung unbegründet. Die meisten Berufe werden spannender und abwechslungsreicher; erst durch die Erfahrungen aus verschiedenen Branchen werden echte Innovationen ermöglicht und der Mensch kann sich permanent weiterentwickeln.
Grundlage dafür ist eine gesunde Neugier, um immer wieder Neues zu lernen und das erlernte Wissen zu vernetzen. Tendenziell ist ein möglichst breites Wissen die beste Voraussetzung, eine neue Herausforderung rasch zu verstehen und meistern zu können. Sprache, Mathematik und naturwissenschaftliche Fächer spielen dabei sicher die grösste Rolle; grundsätzlich gibt es aber kein «unnützes» Wissen. Im Gegenteil, je mehr unterschiedliche Dinge wir wissen, desto schneller begreifen und erlernen wir neue Zusammenhänge. So hat Musik beispielsweise eine grosse Verwandtschaft mit Mathematik. Und Mathematik ist die Grundlage praktisch aller digitalen Abläufe.
Die Digitalisierung ist keine Bedrohung, sondern ein fester Bestandteil der Realität. Daraus zu schliessen, dass es in Zukunft nur Informatiker braucht, wäre eine völlig falsche Schlussfolgerung. Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass die Berufe der Zukunft einen Mix aus breitem vernetztem Wissen und Kreativität fordern werden, da dies praktisch von künstlicher Intelligenz nicht gelöst werden kann.
Somit ist eine gute Allgemeinbildung in Kombination mit gesundem Menschenverstand die erfolgversprechendste Investition in eine erfüllende berufliche Zukunft.
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