Je komplexer die Welt wird, desto wichtiger werden Innovation und kreative Problemlösungen. Gewohntes aus der Schublade zu holen, funktioniert oft nicht mehr. Neue Fragen eröffnen Räume für neue Antworten. Die beste Lösungsproduktionsmaschine ist ein gemischtes Team – wenn dabei bestimmte Punkte beachtet werden.
von Sina Bardill
Wenn Teams in Bezug auf Alter, Ethnie, Behinderung und Geschlecht gemischt sind, können sie durch die Perspektivenvielfalt kreativere Lösungen entwickeln. Produktiv wird ein heterogenes Team insbesondere dann, wenn die Verschiedenheit positiv anerkannt wird, d. h. die einzelnen Personen in ihrer Unterschiedlichkeit gleichwertig sind. Hier ergeben sich Synergien mit Fragen der Chancengleichheit und Gerechtigkeit, was sich in zunehmender gesetzlicher Verpflichtung zum Einbezug aller Menschen in den Arbeitsprozess spiegelt.
Immer mehr zeigt sich auch, dass lernende Organisationen sich schneller entwickeln können, wenn sie auf Vielfältigkeit setzen. Dies wird zu einem zentralen Element der Anpassung an sich rasch verändernde Umstände. Und dabei kommen neben den oben genannten Verschiedenheiten auch weitere zum Zug. Ganz besonders produktiv sind Teams, die sich aus schnellen, begeisterungsfähigen Macherinnen (den Extravertierten) und den eher gut abwägenden und sorgfältig planenden Überlegern (den Introvertierten) zusammensetzen – wenn sie einander denn verstehen und anerkennen.
Diversity ganz konkret
Denn: Der Umgang mit Unterschieden will gelernt sein. Eine stark harmonieorientierte Betriebskultur blendet Verschiedenheit oft aus, weil diese verunsichert – und Unsicherheit ist für viele Menschen schwierig. Dies führt allerdings zu einer Übereinstimmung an der Oberfläche, unter der sich Konflikte und Differenzen stauen können. Eine echt innovationsfreudige Atmosphäre entsteht dann, wenn überraschende Ideen Platz haben. Und wenn unterschiedliche Meinungen und Vorstellungen erwünscht sind und eingebracht werden dürfen.
Voraussetzungen dafür (auch auf der Führungsebene): eigene Positionen reflektieren und relativieren, andere Positionen offen und als ebenso berechtigt und auf guten Gründen basiert wahrnehmen. Ergebnisoffen unterwegs sein. Wer von Anfang an weiss, wo es hingehen soll, zieht das besser direkt durch, als scheinbare Mitbestimmung zu ermöglichen und am Schluss dann doch das zu tun, was immer schon geplant war.
Ein ganz einfaches Mittel, mit dem man eine solche Kulturveränderung in Gang bringen kann: stilles Brainstorming. Wenn in einer Gruppe mündlich Ideen gesammelt werden, setzen sich oft die Schnellen und Lauten durch. Alle anderen Ideen werden durch den Druck der Gruppendynamik sofort den bereits vorhandenen angepasst. Ist die Form jedoch so, dass alle ihre Ideen auf Zettel notieren und man diese nachher zusammenträgt, kann jeder frei und in Ruhe überlegen und kommt voll zum Zug – auch die Neuen, die Stillen oder die Jungen. Studien zeigen: Es entstehen so eindeutig ideenreichere Resultate. Und Sitzungen werden kürzer, weil weniger wiederholt wird.
Zuhören mit System
Differenz kann man nur wahrnehmen, wenn man gut hinhört. Statt also immer mit der eigenen Position vorneweg zu sein, lohnt es sich, zu fragen und zuzuhören. Damit auch die eher Stillen oder gar zurückhaltenden Mitarbeitenden zum Zug kommen, braucht es etwas Zeit. Manche Menschen überlegen gern, bevor sie eine Idee einbringen. Diese hat dann dafür oft auch schon Hand und Fuss.
Also: Zeit geben zum Nachdenken oder auch die Möglichkeit, sich vorzubereiten. Damit holt man wesentlich mehr Beiträge ab, z. B. auch die der eher introvertierten Teammitglieder – immerhin zirka ein Drittel aller Menschen! Von einem solchen Vorgehen profitieren auch alle anderen, die keine dominante Position im System haben. Und das Team wird insgesamt gestärkt, in seiner Innovationskraft und auch in der Zusammenarbeitskultur.
Sina Bardill ist Psychologin FSP und Supervisorin/Coach BSO. Sie arbeitet seit 2003 als Beraterin in eigener Praxis in Scharans und Luzern. www.gestaltungs-raum.ch, Telefon 081 651 50 43
Bildlegende: Vielfalt und Verschiedenheit macht Freude und bringt in einem heterogenen Arbeitsteam neue und überraschende Lösungen. Bild Annie Sprath/Unsplash