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Glücklich navigieren in der Multioptionsgesellschaft

Veröffentlicht am 10.04.2017
Einen neuen Job suchen, Voll- oder Teilzeit arbeiten - suedostschweizjobs.ch 1
Einen neuen Job suchen, Voll- oder Teilzeit arbeiten? In der Stadt oder auf dem Land wohnen, Kinder haben oder nicht, wohin in die Ferien, welche Weiterbildung anpacken und welches Joghurt wählen? Immer mehr Optionen stehen zur Verfügung, vermeintlich eine riesige Zunahme der persönlichen Freiheit in den letzten 50 Jahren. Warum werden die Menschen nicht immer glücklicher? Entscheidungen für Sinn und Beziehungen bringen auf die richtige Spur.
von Sina Bardill

Aufgrund objektiver Kriterien gilt die Schweiz als Insel des Glücks. Viele positive Faktoren kommen hier zusammen: relativ saubere Luft und sauberes Wasser, ein funktionierendes Staatswesen, ein super Bildungssystem, ein hohes Durchschnittseinkommen, viele Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung usw. Trotzdem sagt uns eher die Vernunft als das Gefühl: Eigentlich sollten wir doch glücklich sein.
 
Die Qual der Wahl
Wenn immer mehr zur Auswahl steht, wird das Entscheiden schwieriger. Zu viele Wahlmöglichkeiten verursachen Stress, weil der Überblick verloren geht und man keine vernünftigen Vergleichskriterien anwenden kann. Dazu kommt: Trifft man eine Entscheidung, verzichtet man auf alle nicht gewählten Optionen, und genau die haben sich vervielfacht. Damit verbindet sich das Gefühl, das Beste vielleicht doch verpasst zu haben.
Wochenlang werden Kataloge studiert, Online-Bewertungen gelesen, dann fällt der Entscheid für einen erstklassigen Elektro-Grill. Kaum steht dieser zu Hause, wird ein noch tolleres Modell angepriesen, das zudem noch vergünstigt ist. So hat man zwar einen genialen Grill – aber freuen kann man sich nicht mehr daran. Dasselbe gilt auch für eine neue, viel versprechende Stelle und nicht selten auch für den eigenen Partner. Wartet eventuell hinter der nächsten Ecke ein noch besseres Angebot?
 
Schuldgefühle bei falschem Entscheid
Weitere Faktoren, die unglücklich machen: Reue und Schuldgefühle. Wer die Wahl hat, ist auch selbst schuld, wenn es nicht so «herauskommt» wie erhofft.
Dazu ein Beispiel: Endlich fällt der Entscheid für einen bestimmten Urlaubsort. Ist das Hotel aber nur mittelmässig, und es regnet die meiste Zeit, kommen (Schuld-)Gefühle auf, man sei für den verdorbenen Urlaub verantwortlich.
Dasselbe gilt für eine neue berufliche Herausforderung, wenn die Familie mit an den neuen Ort umgezogen ist: Was,  wenn die Stelle nicht hält, was sie versprach? Die Multi-Options-Gesellschaft bürdet dem Einzelnen sehr viel Verantwortung auf. Die gesellschaftlichen Einflussfaktoren und die wirtschaflichen Interessen dahinter bleiben oft unsichtbar.
 
Beziehung statt Status wählen

Die Glücksforschung zeigt: Ein gewisses Einkommen steigert das Glücksempfinden (oder umgekehrt: Armut macht in der Regel unglücklich). Dies stimmt jedoch nur bis zu einem bestimmten Punkt, danach stagniert der Effekt. Immer mehr macht also nicht immer glücklicher. Ganz im Gegenteil: Denn mehr zu verdienen hat auch seinen Preis, sind doch damit etwa Überzeit oder vermehrtes Pendeln verbunden. In der Folge werden der Erwerbsarbeit andere Interessen und Bedürfnisse untergeordnet.
Und oftmals reduzieren Menschen dabei Dinge, die glücklich machen. Das ist in erster Linie Zeit für die Beziehungspflege. Das heisst, für andere da zu sein und bei Bedarf Hilfe anzunehmen, sich auszutauschen und Erlebnisse zu teilen. Aber auch sonstig Sinngebendes, das sich nicht am Status orientiert, wird reduziert – z. B. das Erleben der Jahreszeiten im Garten oder etwas mit seinen Händen zu «erschaffen».
Sich für solche Erfahrungen sowie konkretes Tun Zeit zu nehmen ist die beste Investition ins eigene Lebensglück. Letztlich wird dies nicht nur die Familie und der Freundeskreis, sondern auch der Arbeitgeber danken – weil der Mitarbeitende gesund und belastbar bleibt.
 
Sina Bardill ist Psychologin FSP und Supervisorin/Coach BSO.
Sie arbeitet seit 2003 als Beraterin in eigener Praxis in Scharans und Luzern.
www.gestaltungs-raum.ch
Telefon 081 651 50 43