Wer viele Sprachen spricht, hat mehr vom Leben. Denn wer sich in einem fremden Land mit Einheimischen unterhalten kann, versteht Menschen und Kultur viel besser. Dank des schweizerischen Schulsystems kommen jungen Menschen schon früh in Kontakt mit Fremdsprachen, verlieren aber oftmals schon bald wieder den Bezug dazu. Es ist jedoch nie zu spät, Fremdsprachen zu erlernen und zu pflegen.
von Gian Paolo Tschuor
Spaghetti, Bolognese, Pasta, Espresso, Latte Macchiato, Bonjour, Portemonnaie, Après-Ski, Gratin, Gitarre, Cafeteria, Vanille, Mais – unser gesprochener Alltag ist vollgespickt mit Italienisch, Französisch und sogar Spanisch. Soll also keiner sagen, er sei kein Sprachtalent! Nicht jeder kann aber sagen, er sei eines wie Johan Vandemalle. Der Belgier, dessen Heimatland ja schon von einem Sprachengraben zwischen Flämisch und Wallonisch geteilt wird, bekam 1987 einen Eintrag ins «Guinness-Buch der Rekorde» – weil er mit 27 Jahren mindestens 22 Sprachen beherrschte. Mittlerweile lehrt er an der Universität Gent in Belgien Türkisch, die Sprache, die ihm am besten gefällt. Dies weil sie, wie er der deutschen Zeitung «Zeit» erklärte, so mathematisch ist. Es gibt keine Ausnahmen.
Englisch oftmals erste Fremdsprache
Vandemalle dürfte ein Ausnahmetalent sein. Der Normalsterbliche wächst mit einer Muttersprache auf, einige mit einer Zweitsprache, aber das Gros der Menschen hat das erste Mal in der Schule Kontakt mit einer weiteren Sprache. In den meisten Kantonen der Schweiz ist Englisch die erste Fremdsprache, in Graubünden ist es Italienisch, Französisch kommt, zumindest in der Deutschschweiz, erst viel später.
Grundwissen genügt nicht
Doch wie eingangs erwähnt, haben viele Gallizismen, Hispanismen und Italianismen in der deutschen Sprache Einzug gehalten. Schon kleine Kinder sind in der Lage, mehrsprachig zu parlieren, auch wenn sie keine Ahnung haben, um welche Sprache es sich handelt. Aber Pasta, das kennen und verstehen sie, ebenso Spaghetti oder Bolognese.
Das reicht, um in Italien im Strandrestaurant eine Pizza oder eben Spaghetti mit Sauce zu bestellen – aber um mit der Kultur der Einheimischen in Beziehung zu treten leider nicht. Sowohl Italiener als auch Franzosen mögen es sehr, wenn man sie in ihren Landessprachen anspricht, ohne auf das allgegenwärtige und von allen gut beherrschte Englisch zurückzugreifen.
In der Schweiz, das ergab 2013 eine Umfrage, sprechen 63,5 Prozent der Befragten Deutsch als Hauptsprache, 22,5 Prozent Französisch und 8,1 Italienisch. Demgegenüber steht eine Statistik der Welttourismusorganisation, die im gleichen Jahr Frankreich als beliebtestes Urlaubsland herausfilterte. Italien kommt erst an fünfter Stelle, Spanien an vierter, die USA an zweiter. Was wiederum bedeutet: Nicht jeder, der wie Gott in Frankreich essen will, kann das Menü auch in der Landessprache bestellen.
Vielsprachige haben mehr vom Leben
Sprachen sind das Tor zur Welt. Eine neue Sprache zu lernen, kostet mit zunehmendem Alter Geduld. Wer es in die Wiege gelegt bekommt, umso besser. Ganz sicher ist: Wer mehrsprachig ist, hat mehr vom Leben. Auch im Beruf.
Über den Autor: Gian
Paolo Tschuor ist Fachvorsteher und Dozent Sprachen an der IBW Höhere Fachschule Südostschweiz.
Bildlegende:
Vielsprachige finden sich in der Welt besser zurecht.
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