Eine Lehre oder die Matura anpeilen? Die momentane Situation entscheidet - suedostschweizjobs.ch
799 Artikel für deine Suche.

Eine Lehre oder die Matura anpeilen? Die momentane Situation entscheidet

Veröffentlicht am 06.06.2016
Eine Lehre oder die Matura anpeilen - Mehr Infos und Tipps auf suedostschweizjobs.ch 1
Viele Kinder stehen bereits in der Primarschule vor einer weitreichenden Entscheidung: Von der Primarschule direkt ins Langzeitgymnasium oder zuerst die Oberstufe absolvieren und dann ins Kurzzeitgymnasium. Die eigentliche Frage, ob ein schulischer Weg oder eine Berufslehre eingeschlagen wird, entscheidet sich erst im Berufswahlprozess. 
von Jacqueline Beriger-Zbinden

Kinder, die schulisch gut vorankommen, ohne grossen Aufwand die Hausaufgaben erledigen, keine Angst vor Prüfungen haben und auch gerne zur Schule gehen, stehen bereits in der fünften Primarklasse vor der Frage, ob sie die Aufnahmeprüfung fürs Langzeitgymnasium absolvieren sollen. Wenn sich Jugendliche in der Oberstufe Gedanken machen, die Aufnahmeprüfung ins Kurzzeitgymnasium zu machen, ist das nicht mehr nur von den Leistungen in der Schule und der Einstellung zur Schule abhängig – hier kommen Berufswünsche hinzu.
 
Zwei Beispiele aus der Praxis
G., 15 Jahre alt, meldet sich bei der Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung. Sie ist im Gymnasium, macht sich Gedanken zur Berufswahl und ist plötzlich nicht mehr so sicher, dass sie den richtigen Weg eingeschlagen hat. Abends ist sie oftmals müde, aber nicht befriedigt. Sie würde sich gerne häufiger praktisch betätigen.
P., 16 Jahre alt, ein weiterer Klient, ist in der Sekundarschule und kann sich nicht vorstellen, demnächst eine Lehrstelle zu suchen. Er kann sich trotz diverser Schnupperlehren für keinen Beruf entscheiden. Er fühlt sich nicht in der Lage, eine Berufsentscheidung zu fällen.
 
Das Schweizer Bildungssystem

Das Schweizer Bildungssystem ist unterteilt in vier Stufen. Gegen Ende der ersten Stufe – Sekundarstufe I = obligatorische Schulzeit – setzt der Berufswahlprozess ein. In erster Linie geht es darum, den Weg durch die zweite Stufe – Sekundarstufe II – zu finden. Diese Stufe beinhaltet die duale Berufsbildung (Lehrberufe) und die weiterführenden Mittelschulen. Viele Berufe können erst in der dritten Stufe – Tertiärstufe – erlernt werden.
Deswegen ist ein Blick auf diese Stufe bereits bei der Entscheidung für eine Erstausbildung sinnvoll. Dank der Durchlässigkeit des Schweizer Bildungssystems ist es möglich, sich für diese Ausbildungen direkten oder indirekten Zugang zu verschaffen. Indirekter Zugang bedeutet theoretische Zusatzleistung für praktisch Ausgebildete beziehungsweise praktische Zusatzleistung für theoretisch Ausgebildete. All diese Möglichkeiten gilt es, in der Berufs- und Laufbahnberatung in Erwägung zu ziehen.
 
Der Weg ist das Ziel
Zurück zu den beiden Beispielen: Im Gespräch mit der Berufsberaterin kristallisiert sich heraus, dass sich G. für handwerkliche Berufe interessiert und deswegen Schnupperlehren machen möchte. Nach mehreren Beratungssitzungen und diversen Schnupperlehren entscheidet sie sich für den dualen Weg und eine Lehre als Schreinerin.
P. hingegen zeigt Interesse in Richtung sozialer und kultureller Berufe. Viele Lehrberufe gibt es in diesen Bereichen allerdings nicht. Deswegen wird sich P. für die Aufnahmeprüfung an die Mittelschulen anmelden. So kann er sich weiterhin breit ausbilden, ohne bereits einen Berufsentscheid fällen zu müssen.
 
Momentane Befindlichkeit entscheidet

Je genauer eruiert werden kann, für welche Ausbildung sich ein Klient eignet, umso früher können die Weichen für die Berufsfindung gestellt werden. Andererseits können sich Berufsvorstellungen im Verlaufe des Lebens ändern, und eine Neuorientierung ist angesagt.
Ob eine Lehre oder die Matura für weitere Ausbildungen von Vorteil sind, ist oftmals nicht vorhersehbar. Ob Lehre oder Matura sollte darum von der momentanen Befindlichkeit abhängen. Ein Traumberuf ist vielfach nicht auf dem kürzesten Weg zu finden. Jeder Umweg ist jedoch eine Erfahrung und im persönlichen Portfolio ein Meilenstein.
 
Jacqueline Beriger-Zbinden ist diplomierte Berufs-, Studien- und Laufbahnberaterin.
 
Bildlegende: Das Schweizer Bildungssystem mit seiner Durchlässigkeit bietet viele Möglichkeiten.     Grafik zVg