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Das «Du» wird bis in die Teppichetage salonfähig

Veröffentlicht am 11.02.2019
Du - Kultur in Unternehmen
Noch sind es wenige Unternehmen, die sich getrauen, durchgängig eine Du-Kultur zu etablieren. Doch der Mut, diese konsequent durchzusetzen, kann das Verhältnis zwischen Unternehmen, Mitarbeitenden und Kunden auf eine neue Stufe stellen. So entsteht letztlich eine andere Qualität der Bindung und Treue. 

von Roger Gallati, Leiter Human Resources beim Versicherungsunternehmen ÖKK
 
Es ist ein kleines Wort. Am falschen Ort eingesetzt, kann es aber für leichte bis schwere Irritationen sorgen. Die Rede ist vom «Du». Unter Kolleginnen und Kollegen ist es kein Problem, ein «Sie» würde negativ auffallen, wie in einem Dorf, wo sich alle kennen.
Geht man allerdings eine Etage höher und die «Standesunterschiede» zwischen zwei Gesprächspartnern werden grösser, dann wächst auch die Hemmschwelle, einander zu duzen. Und das unangenehme Gefühl wird umso stärker, je grösser der Statusunterschied ist.

Das «Du» bereits beim ersten Kontakt

Ein konsequentes Duzen hat nichts mit fehlendem Respekt zu tun, vielmehr mit einem leichteren Zugang zu den Menschen. Noch tun sich die meisten Unternehmen in der Schweiz schwer, die Du-Kultur konsequent durchzusetzen.
Es gibt jedoch Ausnahmen. Zum Beispiel die Versicherung ÖKK. Das Unternehmen beginnt mit dem Duzen bereits beim Stelleninserat und beim ersten Kontakt (das Einverständnis des Bewerbers vorausgesetzt). Das «Du» wird aber auch bis hinauf zur Geschäftsleitung und zum Verwaltungsrat gepflegt.

Wie in einer grossen Familie

Die Bewerberinnen und Bewerber reagieren in den Bewerbungsgesprächen wohlwollend auf das Du-Angebot. Viele Bewerber finden es jedoch merkwürdig, von Beginn weg geduzt zu werden und das Gegenüber ebenfalls mit Du anzusprechen. Doch das legt sich schnell, weil sich Bewerber dadurch auf gleicher Augenhöhe mit den Gesprächspartner wähnen. Das «Du» wird bei der Gesprächseinladung angeboten – somit ist das Eis bereits gebrochen. Die Nervosität auf beiden Seiten sinkt. Die Stellenbewerberin oder der Stellenbewerber weiss, was sie beziehungsweise ihn erwartet; so lassen sich unangenehme Situationen vermeiden.
Eine Unternehmenskultur, in der das Duzen verbreitet und verankert ist, erleichtert es den Mitarbeitenden, gemeinsame Werte zu teilen. Sie bietet allen eine Chance: indem sie den einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern das Gefühl vermittelt, zusammenzugehören, ganz wie in einer grossen Familie. Und diesem Hort bleibt man viel eher treu verbunden als einem anonymen Konglomerat distanzierter Menschen. Damit kann eine etablierte Du-Kultur zu einem wesentlichen Faktor werden, die Mitarbeitenden an das Unternehmen zu binden – wenn nicht immer bewusst, so doch stets unbewusst.

Kultur, Traditionen und Werte

Mit dem Begriff «Familie» wird treffend diejenige Atmosphäre geschaffen, in der sich die Du-Kultur am persönlichsten entwickelt. Die Familie schafft das Klima und bereitet den Boden, auf dem die Werte heranwachsen, die den Charakter der Familie bestimmen: persönlich, unkompliziert und alltagsnah. Das Klima wiederum wirkt sich positiv auf den Einzelnen aus: Wer sich sicher und geborgen fühlt, sich als Teil einer Gruppe empfindet, der ist auch gelöster, lockerer und damit auch authentischer.
«Stimmt» es auf diese Weise innerhalb eines Unternehmens, macht sich die gesunde Kultur auch im Kontakt mit den Kunden bemerkbar. Denn motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter reagieren hilfsbereit und schnell auf Kundenan­liegen und gehen unkompliziert auf Wünsche ein. Was ein kleines Wort wie «Du» alles bewirken kann …
 
Bild: pixabay